Ich denke mal, dass Balbos Tatoos noch aus der Zeit stammen, als er Ende der 80er mit Jesus Went to Jerusalem und in den 90ern mit Der Tod noch hardcore und metallistisch unterwegs war. Sein Alleingang Zero (Snowdonia, 2000), angeregt durch J. G. Ballards Concrete Island, zeigte ihn dann schon durch neue Lektüren und Filme elektronisch umorientiert. In den letzten 10 Jahren folgten weitere Soloveröffentlichungen und Kollaborationen mit Afe-Macher Andrea Marutti bzw. mit Mark Iacona als Marfaus. Hinter Login steckt Harry Hallers Taumel durch das Mysterientheater in Hermann Hesses Steppenwolf, wobei Balbo das als Update im Web mit seiner 'Fake Reality' und virtuellen Räumen wie dem 'Bird's Room' und 'Clozier's Room' inszeniert. Wenn ich darin eine Hommage an Christian Clozier vermuten darf, den Mitbegründer der Groupe de musique expérimentale de Bourges, dann in 'Walking With Klaus' einen Spaziergang mit Klaus Schulze? Balbo ist nämlich
so traditionsbewusst, um nicht zu sagen, so nostalgisch, seine Musik gänzlich mit einer freien Softwareversion des Nord Modular G2-Clavia zu realisieren, bekannt für seine Simulationsfähigkeit von Analogsynthiesound und damit speziell auch dem 'kosmischen' Sound. Bei 'Hi Mr. Kemp', wahrscheinlich einem kurzen Gruß an Andrew Kemp und dessen Quantum K-Projekt, und dem auf fast 18 Min. ausgedehnten finalen 'Will Future Man Develop a Third Ear?' benutzte Balbo dann DPOAE (Distorsiv produzierte otoakustische Emissionen), Verzerrungsprodukte, wie sie diagnostisch bei Hörtests verwendet werden, die einem hier insektoid um die Synapsen sirren. Ihre Tauglichkeit als Mittel der Irritation und als Transporter der Imagination kann ich dieser Elektronik mit einem 'befriedigend' bestätigen.

[BA 75 rbd]